– Tet-Fest –
– Tet-Fest –
ist das nach dem Mondkalender vietnamesische Neujahrfest. Es wurde im Jahr 2000 zum ersten Mal von DVF veranstaltet und hat sich zu einem großen Benefiz-Event in Aachen etabliert.
So steht es in der DVF-Broschüre. Was nicht darin steht, ist das Engagement der Freunden und der Mitglieder des Vereins. Wer bei den Vorbereitungen oder sogar selbst an dem Abend der Tet-Veranstaltung mitgewirkt hat, weiß, wohin seine Liebe fällt, denn sowohl hinter dem farbenfrohen und unterhaltungsreichen Bühnenprogramm als auch hinter dem vielfältigen Angebot an vietnamesischen Spezialitäten stecken jedes Jahr sehr viel Arbeiten und Leistungen.
– Die Wassermelone –
Freitag Abend. Generalprobe. Die Grippe hat viele unsere Akteure erwischt.
Als Eröffnung sollte die Schöpfungsgeschichte des vietnamesischen Volkes vorgeführt werden. Der Legende nach stammen alle männlichen Vietnamesen von einem Drachen ab, alle weiblichen von einer Fee. Dieser Mythos und andere Märchen, Helden, Sitten und Bräuche der Vietnamesen sollten in dem Stück reflektiert werden.
Mit Not und Mühe wurden alle Rollen besetzt. Fast alle.
Für die Erzählung wie die Melone nach Vietnam kam, fehlte ein Darsteller. Einer unserer jüngsten Schüler der vietnamesischen Sprachschule musste für diese Rolle einspringen. In einem einminütigen Durchgang wurde ihm die Geschichte von An Tiem erzählt, denn er sollte schon wissen, was er tat.
An Tiem war der Adoptivsohn des Königs Hung Vuong. Die König’s leiblichen Söhne wollten ihn glauben lassen, dass An Tiem den Thron für sich beansprucht. Er wurde daraufhin auf einer verlassenen Insel verbannt. Eines Tages entdeckte er einen von Vögeln herunter gespuckten Kern und pflanzte ihn. Aus dem Kern wurde eine Kletterpflanze, deren Frucht die süße Wassermelone war. An Tiem wurde reich. Der König dachte sich: „Der Himmel muss An Tiem wegen seiner Tugend beigestanden haben, denn niemand kann auf solchem Eiland überleben“ und begnadete ihn. Noch heute empfindet unser Volk die rote Farbe des Fruchtfleisches als Sinnbild für die Fröhlichkeit beim Neujahrsfest.
Die Rolle An Tiem mit einer fünfminütigen Probe hat Rafael am Abend der Aufführung so überzeugend gespielt, dass ein Stück vietnamesische Kultur wieder lebendig wurde.
– Schlangenstehen –
Viele denken, dass für Vietnamesen Pünktlichkeit nicht viel zählt.
Das mag wohl stimmen, und genau diese Eigenschaft machte den Tet-Fest-Organisatoren das Leben schwer. Die vietnamesischen Gäste verpönten Hektik und Zeitdruck und daher stürmten sie kurz vor dem Beginn des Bühnenprogramms in Scharen in die Aula und wollten alle Wertmarken für das Essen und Trinken kaufen.
Es bildete sich im Nu unendliche Serpentine, die einen imaginären Druck auf die Wertmarkenverkäufer ausübte. Hinzu kam, dass die ordnungsliebenden deutschen Gäste in Schlangenstehen geübt sind und sich weigerten, einen Schritt nach vorne zu machen, wenn der Vordermann noch nicht bedient wurde.
Aus der Not wurde Tugend. Ein „Seitenverkauf“ hat sich entwickelt, bei dem wartende Gäste aus der Schlange willkürlich von einem Mithelfer bedient wurden. Der Verdacht eines Schwarzmarkt-artigen Handels erwies sich als unbegründet, denn gekaufte Wertmarken und Rückgeld wurden korrekt übergeben. Der Knotenpunkt an der Kasse entspannte sich von alleine.
Fazit: Für jedes Problem gibt es immer eine Lösung. Man muss sie nur … erfinden.
– Vietnamesisch –
Tet-Fest ist ein vietnamesisches Fest.
Dass man bei der Neujahrsfeier viel Vietnamesisches erlebte, war wohl mehr oder weniger selbstverständlich.
Es gab Kaffee auf vietnamesischer Art, mit Liebe vorbereitet von einer schlanken hübschen Vietnamesin. Der Kaffee wurde in einen speziellen Metallfilter gegeben, der auf einer Schale mit reichlich gezuckerter Kondensmilch aufsitzt. Der Filter wird mit kochendem Wasser übergossen, von wo der Kaffee langsam in die Schale tropft. Die meisten Vietnamesen bevorzugen ihren Kaffee in einem großen Glas mit Eiswürfeln. Vietnamesischer Kaffee ist allerdings nichts für schwache Nerven, denn er ist wesentlich stärker als der Kaffee, den man in westlichen Ländern gewöhnt ist.
Es gab Ao dai, die traditionelle Tracht der vietnamesischen Frauen, in diversen Farben und Ausführungen.
Es gab vietnamesische Spezialitäten, die in ihren Namen meist das Wort Reis beinhalten: Reiskuchen, Reisnudelsuppe, Reisbällchen, Reismehl-Crêpes, Spitz-Klebreiskuchen, Reissuppe …
Und viel vietnamesisch, gemischt mit deutsch, da zum Tet-Fest drei Generationen aufeinander trafen. Die „Großeltern“-Generation unterhielt sich ausschließlich auf vietnamesisch, die „Eltern“-Generation ein Misch-Masch aus beiden Sprachen, wobei der vietnamesische Anteil höher lag und die Jüngeren meisten auf deutsch. Einige Kinder konnten zweisprachig, zumindest die aus der vietnamesischen Sprachschule. DVF bemüht sich, den Kindern zweimal monatlich die Muttersprache beizubringen, um ihnen ein Stück von ihrer Herkunft zu geben. Denn „Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht“ (Theodor Heuss).
– Benefiz –
„Tolle Show“.
Das war das Kommentar eines Freundes aus einem anderen Verein, der mehr aus Neugier als aus Unterhaltungssuche an einem verschneiten Samstagabend gekommen ist.
Wie er dachten auch viele Gäste, dass das Tet-Fest eine Neujahrs-Party à la vietnamesisch war. Es stimmte nicht so ganz, denn der Erlös wird an hilfsbedürftige Kinder in Vietnam gespendet. Alle Mitwirkenden haben sich für einen guten Zweck eingesetzt, sei es die Kung-Fu-Gruppe Viet Vo Dao, das Tanzstudio Guido Kreiten, die Guzheng-Spielerin, die Kinder der vietnamesischen Sprachschule, Sänger und Sängerinnen, MithelferInnen in der Küche, MithelferInnen beim Auf-/Abbauen/Aufräumen, Studenten, Eltern, Großeltern etc.
Für das Tet-Fest sind sie zusammengekommen, planten zusammen, hatten Stress zusammen, lachten zusammen und wurden zusammen zu einer ganz großen Familie. Vietnamesen, Indonesier, Chinesen, Philippinen, Thailänder, Laoten … und Deutschen feierten zusammen, sammelten zusammen für einen guten Zweck.
Es gibt doch nichts Schöneres, oder?
Aza Lee
Tet-Fest, Jahr der Schlange 2013